8. So.n.Trin. – Die Kinder des Lichts und ihr Denkhorizont

Predigt 1

Wandelt als Kinder des Lichts!, sagt uns der heutige Wochenspruch aus dem Epheserbrief. Das klingt sehr altmodisch. So redet heute kaum noch jemand. Und doch sind das einfache und klare Worte. Wir können durchaus verstehen, was gemeint ist. Die Fortsetzung macht es restlos deutlich: die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Was diesen Spruch so merkwürdig klingen lässt, ist nicht die bildhafte Ausdrucksweise, sondern seine geradezu leuchtende Klarheit und Deutlichkeit.

Für uns dagegen ist die Welt mit den vielen unterschiedlichen Menschen eher undurchsichtig und grau. Und oft hat es den Anschein, die Tendenz geht mehr ins Dunkelgrau. Manchmal sprechen wir zwar auch heute von „Lichtgestalten“, aber das sind dann eindeutig Ausnahmeerscheinungen. Wir denken dabei an Menschen wie Nelson Mandela oder Mutter Teresa und vielleicht auch noch an Willy Brandt.

Noch deutlicher wird der Kontrast, wenn wir auf das schauen, was in dem Bibelvers als Frucht des Lichts genannt wird: Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Das sind Worte, bei denen wir oft den Eindruck haben, dass sie uns zu groß geworden sind. Ideale, die immer wieder als Erwartung oder Sehnsucht hochgehalten, aber im realen Leben nie erreicht und oftmals auch mit Füßen getreten werden. Sie verlieren mit der Zeit ihre Glaubwürdigkeit. Und irgendwann schlägt das bei den Menschen um in Gleichgültigkeit oder in Bitterkeit oder in Ironie und Zynismus. 

Wer in der DDR aufgewachsen ist, konnte das dort in voller Breite erleben. Sehr deutlich kommt das in der frechen Berliner Schnauze zum Ausdruck:
Kommt einer nach Berlin und sagt: “Ich habe eine Idee!“
Da antwortet der Berliner: Wat ham‘ Se, ne Idee? Wissen Se, ne Idee, dit iss bei uns wat janz Kleenet, ne Idee Salz oder so.  

Wir lachen darüber. Aber es ist ein bitteres Lachen. Dahinter steckt die unausgesprochene Frage: Sollte man nicht besser auf das ganze Gedöns von Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit verzichten – und endlich der biologischen Einsicht recht geben, dass jedes Lebewesen zuerst den eigenen Vorteil sucht? Und dass der Mensch – wie ein römisches Sprichwort sagt – des Menschen Wolf ist?  

Ist das das grundlegende Gesetz, dem alles Leben folgt? Oder gibt es noch ein höheres und stärkeres Gesetz?

Die Antwort auf diese Frage hängt von dem Denkhorizont – das ist ein wichtiges Wort! – sie hängt von unserem Denkhorizont ab. Schon der römische Dichter Plautus (254-184 v.Chr.), auf den das Wort vom Menschen als Wolf des Menschen zurückgeht, fügt hinzu: Das gilt zum mindesten solange, als man sich nicht kennt.

Ist das vielleicht der entscheidende Schlüssel? Sich kennenlernen. Licht in die Beziehung bringen. Ver-Stehen. Auf-Stehen aus Tod und Verderben. Ins Licht treten.

In der Epistel aus Epheser 5,8b-14 klingt das nach der Neuen Genfer Übersetzung so:   
Verhaltet euch so, wie Menschen des Lichts sich verhalten. Ihr wisst doch: Die Frucht, die vom Licht hervorgebracht wird, besteht in allem, was gut, gerecht und wahr ist. Deshalb überlegt bei dem, was ihr tut, ob es dem Herrn gefällt. Und beteiligt euch unter keinen Umständen an irgendeinem Tun, das der Finsternis entstammt und daher keine guten Früchte hervorbringt. Deckt solches Tun vielmehr auf! Denn was manche im Verborgenen treiben, ist so abscheulich, dass man sich schämt, es auch nur zu erwähnen. Doch alles, was aufgedeckt wird, ist dann im Licht als das sichtbar, was es wirklich ist. Mehr noch: Alles, was sichtbar geworden ist, gehört damit zum Licht. Deshalb heißt es auch: »Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten! Dann wird Christus sein Licht über dir leuchten lassen.«

Predigt 2

Wir Menschen schwanken zwischen den verschiedenen Sichtweisen: Manchmal gewinnen Resignation und Bitterkeit in uns die Oberhand. Dann wird es finster um uns. Und manchmal erreicht uns das Licht eines neuen und besseren Lebens. Es geht um den Denkhorizont, aus dem heraus wir das Leben betrachten und verstehen.

Was Jesus seinen Jüngern vermittelt hat und was er uns auch heute schenken will, ist dieser neue Denkhorizont. Er beginnt mit einem neuen Verständnis dessen, was wir selbst sind.

Hören wir dazu das heutige Evangelium aus der Bergpredigt in Matthäus 5,13-16:
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.
Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Das Entscheidende an diesen Worten Jesu ist – die Grammatik. Er spricht hier im Indikativ: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Nicht: Ihr müsst, ihr sollt, ihr habt gefälligst Salz und Licht zu sein!

Jesus weiß, dass solche Parolen an den Widersprüchlichkeiten des Lebens und dem Schwanken der menschlichen Natur scheitern. Tausendmal probiert, tausendmal ist nichts passiert.
Jesus verändert unseren Denkhorizont: Ihr seid keine Wölfe unter Wölfen, sondern Kinder eures Vaters im Himmel. Und darum seid ihr das Licht der Welt. Ihr könnt das sein, wenn ihr euch so versteht. Wenn ihr euch nicht nur um euch selbst dreht und sorgt, sondern aus Gottes Hand nehmt, was er euch an Leben und Licht geschenkt hat und weiter schenken will.  

Predigt 3

Wo Menschen sich selbst loslassen und vergessen, die alten Wege der Angst verlassen und ganz neu von Gott her zu denken und zu leben beginnen, da berühren sich Himmel und Erde. Und da kommen Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit, da kommt Schalom, der heilende Frieden, ans Licht.
Im Denkhorizont des Glaubens sind das keine Ideale, sondern Lebensmöglichkeiten der Menschen, die sich als Kinder Gottes verstehen und dadurch zu Lichtgestalten werden können.

Es gibt nämlich nicht nur die wenigen weltbekannten Lichtgestalten, die als Ausnahmeerscheinungen aus dem Dunkel hervorstrahlen. Es gibt auch solche, die im Dunkeln verborgen sind. Jesus sieht sie und bringt sie ins rechte Licht.    

Als Beispiel dafür erzählt uns Markus im 12. Kapitel seines Evangeliums eine ganz schlichte, aber auch provozierende Geschichte:  Markus 12,41-44 – Die Opfergabe der Witwe (Übersetzung der BasisBibel):
Jesus setzte sich in die Nähe des Opferkastens. Dort beobachtete er, wie die Leute Geld hineinwarfen.Viele wohlhabende Leute gaben viel hinein. Da kam auch eine arme Witwe. Sie warf zwei kleine Kupfermünzen hinein –das entspricht der kleinsten römischen Münze. Jesus rief seine Jünger herbei und sagte zu ihnen: »Amen, das sage ich euch: Diese arme Witwe hat mehr gegeben als alle anderen, die etwas in den Opferkasten geworfen haben. Denn alle anderen haben nur etwas von ihrem Überfluss abgegeben. Aber diese Witwe hat alles hergegeben, was sie selbst zum Leben hat  – obwohl sie doch arm ist.«

Die äußere Unscheinbarkeit führt dazu, dass die innere Größe dieses Geschehens sehr oft gar nicht erkannt wird. Da fährt kein strahlender Firmenchef vor, um von Scheinwerfern und Kameras umringt mit großer Geste einen Scheck zu überreichen, den er später wieder von der Steuer absetzt. Da kommt eine namen- und mittellose Frau und gibt alles, was sie zu geben hat.
Das Provozierende an der Geschichte ist: Sie liefert reichlich Diskussionsstoff für alle, die noch auf der Suche nach ihrem Platz zwischen Himmel und Erde sind. Auch hier geht es wieder:  um unseren Denkhorizont.    

Amen

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