Drei nachweihnachtliche Einsichten

1. Einsicht: Die himmlische Herrlichkeit erscheint für Geerdete

Am letzten Sonntag nach Epiphanias beginnt die Woche, mit der die Weihnachtszeit zu Ende geht.
In den biblischen Lesungen für diesen Tag ist noch einmal von dem Licht und dem Glanz die Rede, der über dem Weihnachtsfest liegt. Dabei richtet sich der Blick aber auch auf den Alltag unserer Welt, in dem wir schon längst wieder angekommen sind.  Wie verhält sich beides zueinander?

Eine erste Einsicht: Nur wer geerdet ist, wird die himmlische Herrlichkeit ganz verstehen.

Dieser Zusammenhang wird in dem Wochenspruch aus Jesaja 60,2 sehr deutlich. Der ganze Vers lautet:  Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.

So sah es Jesaja im alten Israel. So beschreiben es Matthäus und Lukas auf ihre je eigene Weise in den zwei neutestamentlichen Weihnachtsgeschichten. Und so ist es auch heute, wenn wir Weihnachten feiern, während zeitgleich viele Menschen von Angst und Hass bewegt oder auf den Befehl ihrer Machthaber hin in Marsch gesetzt werden.  
Weihnachten heißt, dass Gott mit seinem Licht den Menschen in ihrem Dunkel nahe kommt.  
Es gibt keinen wahren weihnachtlichen Glanz und kein Kommen Gottes ohne diesen finsteren Hintergrund.
Aber es gibt auch kein Dunkel, in das Gott nicht kommen und hineinleuchten kann und will.

In unseren Gottesdiensten bringen wir beides zusammen. Den Ruf aus der Finsternis – das Kyrie eleison! – den Schrei Herr, erbarme dich!  Und den Blick ins Helle – das Gloria in excelsis – den Lobgesang Ehre sei Gott in der Höhe!      

Unsere Welt versinkt immer wieder in Dunkelheit und Leid.
Darum rufen wir, Gott, zu dir:  Kyrie eleison! – Herr, erbarme dich!
Unser Licht und unsere Kraft ist zu klein, um die Finsternis zu überwinden.
Darum rufen wir zu dir, Christus, du Licht der Welt: Christe eleison! – Christus, erbarme dich!
Zweifel, Angst und Mutlosigkeit bedrängen auch unseren Glauben.
Darum rufen wir, Gott, zu dir: Kyrie, eleison! – Herr, erbarm dich über uns!

Bei uns ist es dunkel, aber du bist das Licht, das uns erleuchten und aus der Finsternis befreien will.
Darum ehren, loben und preisen wir dich, Gott:  Ehre sei Gott in der Höhe – und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.

2. Einsicht: Die Herrlichkeit Gottes lässt sich nicht konservieren. Sie spricht uns an

Das Evangelium von der Verklärung Jesu aus Matthäus 17,1-9

Und nach sechs Tagen nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg. Und er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und siehe, da erschienen ihnen Mose und Elia; die redeten mit ihm. Petrus aber fing an und sprach zu Jesus: Herr, hier ist gut sein! Willst du, so will ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine lichte Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören! Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und erschraken sehr. Jesus aber trat zu ihnen, rührte sie an und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht! Als sie aber ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand als Jesus allein. Und als sie vom Berge hinabgingen, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr sollt von dieser Erscheinung niemandem sagen, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

Der Zusammenhang von Finsternis und Licht begegnet uns auch im Evangelium dieses Sonntags. Dabei wird das Ganze aus der Perspektive der Jünger, allen voran Petrus, dargestellt.
Wichtig ist hier wie auch sonst der Kontext – der Zusammenhang, in dem das Gesagte steht:
Die Erzählung von der Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor folgt in den Evangelien unmittelbar auf die erste Leidensankündigung Jesu und sein Wort von der Nachfolge.
Petrus wehrt sich dagegen, als Jesus von seinem kommenden Leiden und Sterben spricht.
Er wird daraufhin von Jesus scharf zurechtgewiesen: Du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. 

Dabei können wir Petrus sicherlich sehr gut verstehen. Dieses Reden vom Leiden macht uns zu schaffen.
Im Jahr 3 von Corona haben wir genug davon. Und viele andere auch, die ihren Unmut lautstark auf die Straßen tragen. Der warnende Arzt wird beschimpft und attackiert. Und im Blick auf Jesus wird es bald heißen: Kreuzige ihn! 
Das ist es, was menschlich ist.
So sind wir Menschen. Wir stehen unserer eigenen Menschlichkeit, die wir so gern idealisieren, im Weg.

Aber es hilft überhaupt nicht weiter, die Menschen zu beschuldigen und zu beschimpfen.
Es ist  nötig, dass uns jemand die Augen öffnet.
Bei Petrus, Jakobus und Johannes geschieht das auf dem Berg Tabor. Dort erscheint ihnen Jesus in göttlichem Glanz: sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider wurden weiß wie das Licht. Und neben ihm stehen Mose und Elia, die beiden Autoritäten und Säulen des Glaubens im AT.
Da wird noch einmal das Wort bestätigt, dass schon über der Geburt Jesu stand: Wir sahen seine Herrlichkeit. 
Doch Petrus denkt wieder sehr menschlich und will diese Erscheinung festhalten. Er will drei Hütten bauen, als ob er Jesus, Mose und Elias damit festhalten und auf längere Dauer binden könnte. Doch die Erscheinung, der besondere strahlende Augenblick, geht schnell vorüber. Es war wie in einem Traum, würden wir heute sagen.

Was von diesem besonderen Erlebnis wirklich bleibt, ist das Wort Gottes: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören!   
Das ist die zweite Einsicht: Die Herrlichkeit Gottes, lässt sich nicht im äußeren Raum konservieren, wohl aber als Wort im eigenen Herzen tragen. 

Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.  So fasst das Johannesevangelium die ganze Weihnachtsgeschichte in einem einzigen Satz zusammen. Es geht in erster Linie nicht um ein äußeres Geschehen, sondern um Gottes Kommen und Wohnen und Wirken unter und in uns.
Der schlesische Arzt und Theologe Angelus Silesius hat das im 17. Jh. so auf den Punkt gebracht: Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebst doch in alle Ewigkeit verloren.
Das Licht – und das heißt die Liebe – Gottes werden nirgendwo auf dieser Welt sichtbar, wenn sie nicht in unseren menschlichen Herzen – die Bibel sagt das ganz drastisch –  Fleisch werden.

3. Einsicht: Wir können, dürfen und sollen glänzen

Was geschieht nun aber, wenn jemand Gottes Wort und Herrlichkeit in sich trägt und damit auf andere Menschen trifft? Davon handelt der dritte Text für diesen Sonntag, der auch vom Kommen Gottes zu den Menschen erzählt. :  

Mose nach seiner Begegnung mit Gott am Berg Sinai 2.Mose 34,29-35


Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte. Als aber Aaron und ganz Israel sahen, dass die Haut seines Angesichts glänzte, fürchteten sie sich, ihm zu nahen. Da rief sie Mose und sie wandten sich wieder zu ihm, Aaronund alle Obersten der Gemeinde, und er redete mit ihnen. Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten. Und er gebot ihnen alles, was der HERR mit ihm geredet hatte auf dem Berge Sinai. Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte, legte er eine Decke auf sein Angesicht. Und wenn er hineinging vor den HERRN, mit ihm zu reden, tat er die Decke ab, bis er wieder herausging. Und wenn er herauskam und zu den Israeliten redete, was ihm geboten war, sahen die Israeliten, wie die Haut seines Angesichts glänzte. Dann tat er die Decke auf sein Angesicht, bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

Das ist ein recht merkwürdiger Bibelabschnitt. Er behandelt die Frage, was geschieht, wenn ein von Gott berührter Mensch mit anderen Menschen zusammenkommt.
Wenn Gott in uns zur Welt kommt, dann strahlt sein Licht auch durch uns aus. Aber wie wirkt das auf andere?
Das ist eine wichtige und oft auch heikle Frage.
Wir alle wissen, wie schwierig es sein kann, mit Anderen von unseren Erfahrungen mit Gott zu reden.
Mit Gleichgesinnten in der Kirche ist das recht einfach und manchmal auch sehr schön und bereichernd.
Aber mit Anderen? Nicht selten begegnen wir den Anderen schon in der eigenen Familie.

Warum ist das so schwierig und wie kann man damit umgehen?

Wenn wir etwas Neues erleben und verstehen wollen, geschieht das immer so, dass wir es irgendwo in unsere bekannte Vorstellungswelt einzuordnen versuchen. Wenn uns das nicht gelingt, dann zweifeln wir es an oder sagen: Das gibt es nicht!
Manchmal wird es auch etwas persönlicher. Dann heißt es vielleicht sogar: Du spinnst ja!
Das gesagt zu bekommen – manchmal geschieht das auch wortlos durch das Verdrehen der Augen – ist äußerst unangenehm. Dann fühlt man sich nicht mehr ernstgenommen. Das will keiner von uns. Und genau diese Angst, nicht mehr ernstgenommen zu werden, hindert uns daran, Gott durch uns zur Welt kommen zu lassen.

Das Problem ist also schnell aufgedeckt, aber wie lässt es sich lösen?
Darauf können wir in der Erzählung von Mose, der mit Gottes Wort und Gebot vom Berg Sinai herabkommt, eine doppelte Antwort finden.

1.  
Auch Mose löst nach seiner Begegnung mit Gott unter seinen Leuten Befremden aus.
Die Haut seines Angesichts glänzte, heißt es in unserem Bibelabschnitt aus 2Mose34.
Es muss wohl eine besondere Aura, eine besondere Ausstrahlung von ihm ausgegangen sein.

Wir kennen das ja heute auch – z.B. bei berühmten Film- und Fernsehstars. Wenn die einmal live zu erleben sind,
dann gibt es meist einen roten Teppich und eine Sicherheitsabsperrung. Und dann sind diese Menschen natürlich so perfekt gestylt und geschminkt, dass sie wie die griechischen Götter aussehen, die gerade aus ihrem Olymp zur Erde herabsteigen. Daneben kommt man sich dann womöglich ganz klein und mickrig vor. 
Wir wissen aber: Das Ganze ist eine Inszenierung, die um des gewünschten Effektes willen mit viel Aufwand herbeigezaubert wird.

Ganz anders ist es bei Mose. Bei ihm strahlt die Begegnung mit Gott von innen her und gänzlich ohne Schminke auf seine Umgebung aus. Und das ist wohl auch die beste Art, wie wir das Licht Gottes mit unserem Leben sichtbar machen können: Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit, heißt es in Epheser 5,9.

2.
Damit hängt dann auch das zweite Merkmal zusammen, das im Verhalten Moses nach seiner Begegnung mit Gott sichtbar wird. Und das unterscheidet ihn von den sehr weltlichen Superstars unserer Zeit:
Mose legt es nicht darauf an, die Menschen mit seiner besonderen Aura zu blenden. Im Gegenteil: Er bedeckt aus Güte und Verständnis und Einfühlsamkeit sein glänzendes Gesicht, um den Menschen nahe sein zu können. Das entspricht ganz der Menschwerdung Gottes, die wir zu Weihnachten feiern.

Das ist die dritte Einsicht:
Von Gott kommt mir ein Freudenschein! Damit können, dürfen und sollen wir in aller Bescheidenheit glänzen.
Wenn uns das hin und wieder gelingt, sind wir nicht umsonst Christen geworden.

Amen.

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