Drei Haselnüsse zu Weihnachten

Liebe Gemeinde

Als wir Kinder waren, da war Weihnachten das Größte und Schönste, was es überhaupt gab. Noch glanzvoller als der eigene Geburtstag. Heißa, bald ist Weihnachtstag! Natürlich gehört auch frischer Schnee dazu. Winterwunderland. Die ganze Welt ist wie verzaubert und endlich wird alles gut! Wie im Märchen. Zu Weihnachten gibt es jedes Jahr schöne Märchenfilme im Fernsehen. Für viele gehört Drei Haselnüsse für Aschenputtel ganz fest zum Fest dazu.

Ich habe heute drei Thesen zu Weihnachten mitgebracht. Es sind aber nicht nur theoretische Gedanken. In ihnen steckt jede Menge Leben. Deshalb möchte ich sie lieber drei Haselnüsse zu Weihnachten nennen. Schauen wir mal, was drin ist.. 

Die erste Haselnuss – Weihnachten ist möglich, aber nicht machbar

Ja, zu Weihnachten erinnern wir uns alle Jahre wieder an unsere Kindheit. An große Erwartungen. An die Freude beim Empfangen der Geschenke. An den Glanz und Zauber, der von diesem Fest ausging. Weihnachten war die schönste Bescherung.

Später, als wir größer und älter wurden, kam die Zeit, dass wir unser Leben selbst in die Hand nehmen mussten. So wurde es uns gesagt, und so sagen wir es weiter: Du bist jetzt alt genug. Es wird jetzt Zeit, dass du dein Leben selbst in die Hand nimmst! Wir haben dafür ein sehr schönes Wort: Verantwortung. Und normalerweise geben wir uns auch alle Mühe, dieser Verantwortung nach besten Kräften gerecht zu werden.

Aber dabei geht uns sehr leicht und meistens ohne, dass wir es merken, auch etwas verloren. Wir setzen uns mit Gott und der Welt auseinander. Wir müssen Entscheidungen treffen und dabei genau abwägen, was gut und richtig ist. Wie machen wir das? Nun, wenn wir unser Leben selbst in die Hand nehmen, dann stellen sich uns natürlich immer wieder bestimmte Fragen: Kann ich das stemmen? Oder: Was bringt das? Oder: Wird mir das auch nicht auf die Füße fallen? Manchmal stecken wir ja in ziemlich verzwickten Situationen, in denen das eine wie das andere falsch zu sein scheint. Was dann?

Die meisten Menschen kennen so etwas. Besonders oft sehen sich wichtige Entscheidungsträger wie z.B. Politiker mit solchen Problemen konfrontiert. Ihre Entscheidungen haben meistens sehr weitreichende Folgen.

So ging es auch Ahas, der von 735 bis 715 v.Chr. in Jerusalem als König von Juda regierte. Seine nördlichen Nachbarn, der syrische und der ephraimitische König wollten ihn in eine aussichtslose Revolte gegen die assyrische Großmacht verwickeln. Falls er sich weigerte, bedrohten sie ihn mit Krieg. Was sollte er da tun?

Das alles klingt gar nicht weihnachtlich. Die Welt schien verloren zu gehen. Und doch liegt gerade hier eine wichtige Wurzel der späteren Weihnachtsgeschichte. Hören wir, was der Prophet Jesaja dem Ahas in Gottes Namen sagte:

Jes 7,10-14

Und der HERR redete abermals zu Ahas und sprach: Fordere dir ein Zeichen vom HERRN, deinem Gott, es sei drunten in der Tiefe oder droben in der Höhe! Aber Ahas sprach: Ich will’s nicht fordern, damit ich den HERRN nicht versuche. Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause David: Ist’s euch zu wenig, dass ihr Menschen müde macht? Müsst ihr auch meinen Gott müde machen? Darum wird euch der HERR selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.

Das ist ein ebenso merkwürdiges und wie folgenreiches Wort. Der Regierungschef eines kleinen Landes befindet sich in einer machtpolitischen Zwickmühle. Was immer er tut: er kann es eigentlich nur falsch machen. Es lässt sich leicht vorstellen, wie er und seine Berater hin und her überlegt und sich dabei im Kreis gedreht haben. Das ist zermürbend und auf Dauer sehr ermüdend.

So sieht das auch der Prophet Jesaja. Er fordert den König auf, tiefer zu blicken und auf Gott zu schauen. Ja mehr noch: Ahas darf und soll sogar ein Zeichen von Gott fordern. Das ist schon sehr ungewöhnlich!

Und was macht Ahas? Er lehnt das ab und redet dabei fast wie Jesus: Ich will’s nicht fordern, damit ich den HERRN nicht versuche. Das klingt schon ziemlich grotesk, oder? In Wirklichkeit wird dieser völlig überforderte Verantwortungsträger gedacht haben: Nun kommt mir auch noch dieser Prophet mit seinem Gott in die Quere! Reicht es denn nicht, was ich schon an weltlichen Problemen zu bewältigen habe?!

Jesaja durchschaut das: Wie ermüdend euer Hin und Her doch ist! Doch Gott spielt da nicht mit. Er wird euch selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.

Was für ein Wort! In auswegloser Lage, wo die Gedanken im Kreis gehen, wo die Emotionen auflodern und wo die Nerven blank liegen – in so einer Situation sagt Jesaja, dass eine junge Frau einen Sohn zur Welt bringen und ihn Gott ist mit uns nennen wird.

Was soll man davon halten?! Stellt das nicht alles vernünftige und selbstverantwortliche Denken und Handeln auf den Kopf? Gott spricht und handelt so überraschend anders. Ist das ein Zeichen dafür, dass wir das Leben als ganzes doch nicht einfach selbst in die Hand nehmen, dass wir das Wesentliche nur empfangen können? Immanuel – Gott ist mit und bei uns. Das Entscheidende an Weihnachten ist nicht machbar, aber für diejenigen erfahrbar, die diese Botschaft hören und dieses Zeichen verstehen.

Der erste Versuch, Weihnachts-Geschichte zu schreiben, ist damals im letzten Drittel des 8. Jh. v.Chr. noch nicht gelungen. Die weiteren Ereignisse um Ahas lassen sich kurz zusammenfassen: Seine Gegner in Syrien und Ephraim wurden von den Assyrern überrollt. Und er selbst musste dem dortigen Großkönig schmerzhafte Zugeständnisse machen. Ahas ist heute in Vergessenheit geraten.

Das Zeichen aber, der Immanuel, von dem Jesaja gesprochen hatte, hat über die vielen Jahrhunderte hinweg an Bedeutung und Leuchtkraft zugenommen. Es ist zur Weissagung und Urbotschaft unseres Weihnachtsfestes geworden. Von ihm spannt sich ein Bogen hin zu einer geheimnisvollen Ahnung, die schließlich zu einer neuen Erfahrung wurde. Zu der Begegnung und Erfahrung mit Jesus, der in Bethlehem geboren werden sollte.

Die zweite Haselnuss – Weihnachten bewegt zum und entsteht durch Umdenken

Hören wir nun, was Matthäus über die Geburt Jesu Christi schreibt:

Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns. Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus. (Matthäus 1,18-25)

Diese Matthäusgeschichte steht natürlich im Schatten der bekannteren Weihnachtsgeschichte von Lukas. Alle beide blicken aus einer Entfernung von ca. 80 Jahren auf die Geburt Jesu zurück. Beide haben dabei ihre je eigene Perspektive. Deshalb heben beide ganz unterschiedliche Aspekte und Bedeutungsschwerpunkte hervor. Bei Matthäus steht nicht Maria, sondern Josef im Mittelpunkt. Matthäus fängt mit dem Stammbaum Jesu an, der mit Abraham beginnt, über David, Salomo und auch Ahas fortgeführt wird und auf Josef zuläuft.

Wie Ahas gerät auch Josef in einen schweren Konflikt: Maria ist so etwas wie seine Verlobte. Doch nun stellt sich plötzlich heraus, dass sie vor der Hochzeit von wer weiß nicht wem ein Kind erwartet. Josef liebt sie. Doch das ging ja nun gar nicht! Das war eine Tragödie, die nach den geltenden Regeln von Sitte und Ordnung nur mit Schimpf und Schande enden konnte. Nicht nur zu Josefs Zeiten, sondern bis in unsere Gegenwart hinein. Und nicht selten sogar mit großer Gefahr für Ehre, Leib und Leben für die Mutter und das Kind. In anderen religiös-kulturellen Kontexten ist das bis heute noch so.

Was kann, was soll Josef da machen? Ihm fiel nichts Besseres ein, als das Ganze nicht an die große Glocke zu hängen und Maria heimlich zu verlassen.

Maria als Alleinerziehende mit einem unehelichen Kind? Vor 2000 Jahren in einem streng gesetzlich-religiösen Umfeld? Das wäre nicht auszudenken gewesen. Offensichtlich nicht einmal für Gott. Deshalb schickte er dem Josef einen Engel und ließ ihm sagen: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist. Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.

Das ist ein Wort! Amen! möchte man sagen. Oder meinetwegen auch Wow! Jetzt wird es doch noch Weihnachten. Gott bewegt Josef zu einem radikalen Umdenken – gegen alle Gepflogenheiten. Gegen alle Vorstellungen, von dem, was geht und möglich ist. Es wird Weihnachten, weil sich Josef auf das bisher Undenkbare einlässt. Weil er als erwachsener Mann Verantwortung ganz neu begreift: Er definiert und praktiziert Verantwortung nicht länger nach dem Prinzip: Das gehört sich so, weil es schon immer so gemacht wurde! Er wagt und lebt jetzt Verantwortung auf der Basis von Vertrauen und Liebe. Und damit wird es Weihnachten. Ab jetzt bestimmt das Herz die Entscheidungen und findet den Weg, wo es lang geht. Fröhlich soll mein Herze springen.

Die dritte Haselnuss – Weihnachten ist das Ende von unserem befürchteten Ende

Wir sehen: Weihnachten ist ein Herzensereignis. Und als solches steht es immer wieder auf der Kippe und kann auch scheitern. Wie bei Ahas. Und ohne diesen Engeltraum fast auch bei Josef.

Aber Weihnachten selbst ist mehr als ein Traum. Auch wenn wir es heute oft wie einen Traum inszenieren wollen. Weihnachten lässt sich nicht inszenieren. Weihnachten ist so nicht machbar. Das spüren wir immer wieder, wenn wir auf die Widersprüche zwischen unseren schönen Illusionen und der ungeschminkten Wirklichkeit stoßen oder auch gestoßen werden. Wir suchen nach dem einen guten Stern und finden viele Stars, die uns nicht kennen und ihre eigenen Interessen verfolgen. Oder die stolzen Sterne der Militärs und der Mächte, die damit ihre Macht demonstrieren. Oder die unendlich vielen winzig kleinen Viren, die wie Sterne aussehen und jetzt unser ganzes Leben beherrschen.

Unser ganzes Leben beherrschen? Wenn man nur den Nachrichten in den Medien folgt, kann dieser Eindruck leicht entstehen. 

Und wenn man der Botschaft und Nachricht von Weihnachten folgt? Wenn man Josef folgt, der den Mut zum Umdenken gefunden hat? Wenn man den Hirten folgt, die dem Wort des Engels vertrauten? Wenn man den Weisen folgt, die über ihren bisherigen Horizont hinausgingen? Dann kann man auf diesen Immanuel stoßen und auf diesen Jesus. Auf den Gott, der mit uns ist und uns aus den Fesseln unserer Angst, unserer Schuld und unserer Lähmung befreien will. Die Menschen, die später mit ihm unterwegs waren, haben es erfahren: Er hat Worte des ewigen Lebens (Joh 6,68). Worte, die unser Leben neu aufrichten und neu ausrichten. Worte, die ein Ende mit unserem ängstlichen Gerede vom nahen Ende machen. Worte von der Nähe und Liebe des immer wieder neu auf uns zugehenden Gottes.

Und das sind mehr als nur Worte. Wo sie gesprochen und geteilt werden, da tut sich was. Da erwacht ein neuer Geist unter den Menschen. Da bewegen uns nicht mehr die alten Ängste und Sorgen, sondern der Glaube und die Hoffnung und die Liebe. Da blühen Menschen auf, die vorher erschöpft und trostlos waren.

Weihnachten ist die Haselnuss, in der das alles schon enthalten ist.

Nun fragt sich nur noch, wie wir diese Nuss aufkriegen? Nicht mit Gewalt, aber – so Gott will – mit Gebeten.

Amen.   

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s