Über sechseinhalb nicht eingeplante Stunden. Jetzt sind wir nach dem Anästhesiegespräch wieder draußen vor dem Klinikum. Es war eine Zeit des Wartens, aber auch eine Zeit des Innehaltens und Verarbeitens neuer Erfahrungen. (Dank meines kleinen „Fönchens“ – wie ich mein iPhone manchmal nenne – kann ich das alles in Echtzeit (!) mit anderen Menschen teilen. Da darf ich doch wohl mal vom Segen der Technik sprechen!)

Nun sollte also am kommenden Montag meine Hirnoperation stattfinden. Warum dauerte das noch einmal eine Stunde, bevor wir nach dem langen Gespräch in der ambulanten Beratungsstelle und einer abschließenden Rückkehr zur Station A2.1 von dort entlassen worden sind?
Ich habe es gegen 16 Uhr erfahren: Bei dem ausführlichen Anästhesiegespräch kam heraus, dass ich zuletzt 2018 in Berlin eine kardiologische Untersuchung hatte. Diese Befunde liegen jetzt hier nicht vor. Und sie werden wohl von Freitag Nachmittag bis Montagmorgen auch nicht zu beschaffen sein. Also steht der OP-Termin für Montag jetzt wieder in Frage…
Ist das nicht ärgerlich? Nein! Nein! Nein! Und zwar OBWOHL das ist nicht nur eine neue Ungewissheit für mich bedeutet und auch den ganzen OP-Plan durcheinanderbringt. NEIN, das ist nicht ärgerlich, sondern erweckt meine tiefe Bewunderung und meine Dankbarkeit. Wieso denn das nun wieder?
Ich bewundere die Umsicht, Genauigkeit und das Unerbittliche bei den Ärzten. Es geht schließlich um die Unwiderbringlichkeit meines Lebens. Sollte man da etwa „Augen zu und durch“ sagen, wenn es noch offene Fragen gibt? Ich ahne: Das ärztliche Ethos gebietet eine Sorgfalt, die uns in Alltagsleben oft fehlt, weil wir sie uns dort oft gar nicht leisten können oder nicht leisten zu können meinen.
Und nach dem ungeplanten Warten werden meine liebe A. und ich hier nun von Adrian und R. abgeholt, nach Hause gebracht und mit köstlichem Selbstgebackenem verwöhnt. Dazu gibt es tiefe persönliche Gespräche über unsere mehr als fünfzigjährige Freundschaft – ein Erzählen und Verstehen von den jüngsten Ereignissen und den fernen Streichen unserer Kinder, eine wechselseitige Teilnahme an den besonderen Erlebnissen der jeweils Anderen, ein Sich-füreinander-Öffnen, Mitteilen und Verstehen aus tiefem Herzen. Es sind Stunden des Glücks und der Erfüllung, in denen wir manchmal mit Tränen in den Augen gemeinsam lachen und uns noch Neues aus den verborgenen Tiefen des Vergangenen zu sagen haben und damit das Leben feiern dürfen.
(So ähnlich stelle ich es mir vor, wenn Jesus vom befreiten und erlösten Beieinandersein im Reich Gottes spricht – eine erfahrbare Feier des Lebens. Wie lebensnah diese alten Geschichten doch manchmal werden können!)
Eucharisteō ! (Danke!)
Hallo Herr Schneemann, heute an einem freien Nachmittag bin ich mal wieder dazugekommen den Blog zu lesen, bin erstaunt, erschrocken über die Diagnose und gleichzeitig voll Bewunderung über ihren Umgang mit dieser Herausforderung.
Wir hoffen die Op wird Entlastung bringen und möglichst gute Erfolge. Ich bin immer wieder erstaunt was heutzutage möglich ist hier in Deutschland, wir können uns ob des sehr guten Gesundheitssystems glücklich schätzen. Das ist auch hoffnungsvoll. Ich werde am Montag fest an sie denken und beten dass alles wieder ins Gleichgewicht kommt. Alles Gute und ganz viel Zuversicht für sie und ihre Familie
PS: Noch ein kleiner Werbeblog, wir arbeiten im Sanitätshaus, wenn sie etwas benötigen bitte gern melden.
Herzliche Grüße Kerstin und Alexander Taut
Ganz herzlichen Dank. Ich fühle mich sehr getragen und erfüllt von der großen und warmen Anteilnahme, die mir jetzt täglich von so vielen widerfährt, die ich vor drei Jahren noch gar nicht gekannt habe!
Leider schaffe ich es nicht, immer persönlichen zu antworten.
(Gleichzeitig ist mir diese Art der öffentlichen Kommunikation über einen Blog eine wunderbare Bestätigung für meine an 1. Petrus 3,15 anknüpfende Hoffnung auf die Möglichkeit und Wirksamkeit, heute Evangelium ganz weltlich und alltagsnah zu teilen.)
Lieber Heinz,
wir haben im heutigen Beisammensein Deine geistige Höhenwanderung erleben dürfen. Das Bewusstsein einer eventuellen Kompression von Lebenszeit führt bei Dir zu riesigen Erkenntnisgewinnen und zu einer Dankbarkeit des Augenblicklichen. Deine frohe Stimmungslage führte beim Abschied dazu, dass Du nicht der zu Tröstende warst, sondern wir, die um Dich bangen. Deine Zuversicht, ob im Diesseitigen oder Jenseitigen ringt uns höchste Achtung ab. Chapeau, mein lieber Schul- und Lebensfreund. Dein Adrian