3 – Nächtliches Nachdenken in Bezug auf „Gott“

Ich bewege mich im Spannungsfeld zwischen Tod und Leben.
Die Reihenfolge ist aus österlicher Perspektive sehr bewusst gewählt!
Damit kommt die Frage nach Gott ins Spiel, die mich mein ganzes Leben lang beschäftigt hat – anfangs mehr quälerisch, später zunehmend tröstlich.
Wie ist das mit „Gott“?
Ich setze ab und zu Anführungszeichen, um das zunächst absolut Außergewöhnliche an Gott als „Begriff“ zu kennzeichnen.



Gott ist im Hören, Verstehen und Glauben DA! (vgl. 2Mose 3)
Nicht objektiv.
Er ist kein Objekt, kein Gegenstand dieser Welt, aber ein Gegenüber für den Menschen, der an ihn glaubt.
Wer an ihn glaubt, für den öffnet sich eine Tür.
Keine Tür, die aus der Welt hinausführt, wohl aber eine Tür, die in Gott hineinführt. Hinein in eine neue Beziehungsdimension unserer Wirklichkeit, die uns selbst verändert.
Das ist für den unerlösten Menschen, der auf sich selbst zentriert und damit an sich selbst gebunden ist, schwer vorstellbar.

Das ist wie eine Metamorphose der eigenen Lebenssubstanz.

Was weiß die Raupe schon vom Schmetterling?
Doch wenn sie durch die Tür der Verwandlung geht und sich verändern lässt, erfährt sie eine neue Dimension ihres Daseins, eine ungeahnte Leichtigkeit und Schönheit kommt über sie.

Für uns Menschen ist das kein Naturgesetz, sondern eine biografische Erfahrungsmöglichkeit, die zur entscheidenden Wirklichkeit und Erfüllung des Lebens werden kann.
Niemals ein Haben im Sinne eines festen Besitzes. Wohl aber eine unaufhörliche Einladung, endlich zum Leben als Mensch und Kind Gottes zu erwachen.

Wir sind stets ein Teil eines größeren Ganzen. Wir sind unser ganzes Leben hindurch und auf unauflösliche Weise — Beziehungswesen.
Nur als Teilnehmer sind wir existent und Ex-Istenz bedeutet, immer auch, über sich selbst hinaus zu sein.
Wohin hinaus?
In die Leere des Nichts oder?
In die Sinnfülle der Begegnung mit dem Leben, das uns durch das Wort von einem möglichen Leben erreicht? Einem Beziehungsleben, das wir traditionell mit „Gott“ bezeichnen, der nicht dingfest zu machen ist, unser Leben aber zu einem Fest werden lassen kann?

Ein Bild sagt mehr

Unsere Vorfahren wussten mehr davon und hatten mehr Umgang damit. Für sie gehörte das zu den Grundlagen ihres Lebensverständnisses und – ganz wichtig – zu ihrer Lebenspraxis.

Je mehr wir in der Neuzeit begonnen haben, unser Leben „selbst in die Hand zu nehmen“, desto mehr haben wir bei der damit zunehmenden Geschäftigkeit vergessen, dass wir uns dabei etwas Wesentliches haben aus der Hand nehmen lassen, was uns heute – bewusst oder unbewusst – schwer zu schaffen macht:

Wir haben vergessen, was Glauben eigentlich in seiner ganzen Fülle bedeutet und wie sehr unsere Menschlichkeit davon abhängt.

Wir müssen und können wieder neu lernen, über uns selbst hinaus zu denken und zu leben.
Und zwar nicht nur auf dem heute üblichen Weg der Maximierung und Optimierung dessen, was wir in unserem eigenen Interesse und nach unseren Vorstellungen und Zielen selbst schaffen. Sondern darüber hinaus auf dem Weg in die uns verborgene – und im Vergleich zu früheren Kulturepochen in der Breite der Gesellschaft stärker verlorengegangene – Dimension des Teilnehmer-Seins an der Lebensfülle, die nur der finden wird, der sich selbst loslassen kann.

Etwas konkreter und tagesbezogener:
Dieser Ansatz kann auch unser Verständnis dafür öffnen, warum die tiefere Sinnfülle des Totensonntags in der Dimension der Ewigkeit liegt und an diesem Tag – merkwürdigerweise! – so viel von der Freude gesprochen und gesungen wird.
Nach dem Totensonntag beginnt ein neuer Advent, in dem „Gott“ neu auf uns zukommt —
als Kind, ganz zart, unserer Liebe und unseres Schutzes bedürftig.
Wir werden gebraucht! Und das ist das größte Geschenk, das „Gott“ uns machen kann, weil es die Einladung und der Anfang zu unserer Metamorphose ist.

Wo wird denn diese Metamorphose beim Menschen sichtbar?
Nicht wie bei der Raupe und dem Schmetterling im Bereich des physisch-natürlichen Lebens, sondern in seiner Beziehungsdimension.

Wenn und indem ein Mensch – leiblich-physisch oder sozial – Mutter oder Vater wird, existiert er nicht mehr, nur für sich selbst – wie auch Gott nicht für sich selbst existiert sondern für uns nur in der Beziehungsdimension des Glaubens zugänglich und erfahrbar wird.
Deshalb bleiben Mutter oder Vater als Anreden auch die angemessensten Sprach- und Beziehungsformen in Bezug auf „Gott“.

Wie finde ich nun zu dieser Mutter und diesem Vater?
Sie sind längst DA.
Komm!
Höre!
Sieh!
Lass locker!
Öffne dich!
Fass Vertrauen!
Lass dir die Zeit dazu!
Lass dich reicher beschenken als du ahnst und es dir jemals selbst verdienen kannst!


Das sind tastende theologische Sprachversuche, eine Brücke zwischen
der alten Botschaft der Bibel und unserem neuzeitlichen Denken zu bauen.
Zu alldem brauchen wir die Sprache.
Von unserer Tradition her gebrauchen wir Sprachformen, die uns den Zugang zu dieser Dimension heute oft sehr erschweren. Wir stoßen uns oft an Vorstellungen und Sprachbildern, die wir mit der „Sache“ selbst verwechseln. Deshalb ist es so wichtig, dass wir sprach- und kultursensibel sind oder neu werden.
Ein lebendiger, zeitgemäßer Glaube muss ein lernender Glaube sein, wenn er nicht hinter der reichen Dynamik seiner Möglichkeiten zurückbleiben will.
Das klingt anstrengend und nach Überforderung?
Müssen dann alle Theo-Logen werden?
Gott bewahre!
Offenheit, Sensibilität und „Gott“-vertrauen genügen!

(Aber etwas mehr lebensdynamische Theo-Logie täte uns auch allen gut! 😄😉😊)

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